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Gehirnjogging mit dem Klangkoffer

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Es schabt und schleift, schnauft und stampft, knarrt und kratzt. Motorenlärm oder Werkstattgeräusch? Weit gefehlt: Hier breitet sich gerade die Klangwelt des Berner Schallplatten-Künstlers Christoph Hess alias Strotter Inst. aus. Schauplatz des Geschehens: das Level «Schrapper» des Computerspiels Memoreille.

Memoreille

Die Memory-App für iPad, iPhone oder Computer (eine Android-Version soll folgen), macht es möglich, statt Bildpaare Klänge aufzudecken. Unter den virtuellen Karten lauern 316 Klangereignisse, gruppiert in 30 Levels und fünf Schwierigkeitsstufen. Per Fingertipp oder Mausklick werden die Karten «aufgedeckt» und bereits in den ersten Levels zeigt sich: das Spiel braucht eine Menge Geduld und Konzentration. Die Klangschnipsel kommen oft verwirrend ähnlich daher und fordern selbst gut geschulte Ohren.

Die Idee zu Memoreille stammt vom Bieler Komponisten, Pianisten und improvisierenden Elektronik-Musiker Gaudenz Badrutt. Gemeinsam mit dem Programmierer und Game-Entwickler Roman Schmid hat er das Klangmemory mit seinem aufgeräumten und schlichten Design im Rahmen eines Musikvermittlungsprojektes des Kantons Bern realisiert. Zweieinhalb Jahre lang arbeitete Badrutt an dieser mit einem Verkaufspreis von sieben Franken vergleichsweise teuren App. «Der Preis soll die Wertigkeit dieses künstlerischen Produkts widerspiegeln», lässt Badrutt gegenüber dem Bieler Tagblatt verlauten.

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Komponiert wurden die Soundschnipsel von zehn Schweizer Musikern und Musikerinnen: Neben Strotter Inst. und Badrutt selbst sind das BigZis, Christian Müller, Hans Koch, Jacques Demierre, Jonas Kocher, Jürg Kienberger, Maru Rieben und Ruedi Häusermann. Sie haben eine Vielfalt an Klängen erschaffen, die das Spiel zum superben Hörerlebnis steigern. Die Levels tragen ebenso klingende Titel wie die App selbst: Hier die imitierten Blasinstrumente und Gähnlaute von Kienberger («öhrli in the morning»), da die perkussiven Memory-Karten von Riebens «Klangkoffer» oder dort die humorvolle Sprachakrobatik von Franziska Schläfer alias BigZis («Digidugu»).

Bis zu sechs Spieler – oder wie es Badrutt nennt «zwölf wache Ohren» – können gleichzeitig gegeneinander antreten und beim Memoryspiel für einmal nicht primär das visuelle Gedächtnis schulen, sondern vor allem das auditive. Die Spielerinnen werden ausserdem zu Komponistinnen Neuer (Zufalls-)Musik: Am Ende eines Levels lassen sich die Spielzüge als zusammenhängendes Soundfile vorspielen.

So ist Memoreille nicht nur herausforderndes Gehirnjogging für jung und alt, es ist zugleich auch eine abwechslungsreiche Klangreise durch das Schweizer Schaffen in Neuer und experimenteller Musik. Wenn das mal kein gelungenes Beispiel für Musikvermittlung ist.
 

 
Drei ausgewählte Levels im Lichte ihrer Schöpfer

Level 30

«Schrapper» by Christoph Hess aka Strotter Inst.

Mein Instrumentarium basiert auf umgebauten und manipulierten Plattenspielern, wobei ich aber keine Schallplatten benutze. Die Sounds entstehen aus dem Plattenspieler und via den Tonzellen. Bei allen Levels für Memoreille habe ich versucht, typische Elemente meiner Musik je nach Klangchrakteristika zu ordnen. Bei «Schrapper» (ein Fördergerät aus dem Bergbau) sind dies Basisgeräusche, welche – durch die Drehung des Plattentellers repetitiv angeregt – einen Beat ergeben.

Level 25

«Vogelgeister» by Gaudenz Badrutt

Als ich «Vogelgeister» komponierte, versuchte ich, eine Gratwanderung zwischen illustrativer und abstrakter Klangwelt zu unternehmen. Das Klangmaterial besteht einerseits aus wenigen, auf einer schönen alten Melodica gespielten Klängen. Andererseits werden Verzerrer eingesetzt, um Rauschen und seltsam bewegte Feedbacks zu erzeugen. Zusätzlich erklingt zeitweise ein Generalbasston. Ich habe das Ganze zunächst als Improvisation aufgenommen. Anschliessend habe ich die Aufnahme davon auf einzelne Klangereignisse eingekocht. Der Kompositionsprozess beinhaltet also: Eine präzise Wahl von Klangmaterial aufgrund einer möglichst vollständigen Vision einer Klangwelt, der improvisatorische Umgang damit und ein Auswahlverfahren, welches die ursprüngliche Vision und die Spielbarkeit im Memoreille möglichst miteinander vereint.

Betrachtet man die Komposition aus der illustrativen Perspektive, sind die zwitschernden Feedbacks Gesänge eines seltsamen Vogels. Das Rauschen ist wohl Wind, welcher zeitweise einen Baum zum Schaukeln bringt – die liegenden Melodica-Klänge. Ab und zu klappert es – Klappengeräusche der Melodica –, der Vogel untersucht die Beschaffenheit des Baums mit seinem Schnabel. Ein zeitweiliger Blick nach unten eröffnet dem Vogel die Sicht auf den Waldboden – der Basston. Der Vogel sitzt offenbar nicht immer auf demselben Baum – oder sind es zwei Vögel?

Aus abstrakter Sicht zeigt sich ein Klangbild, das sich sehr «graphisch» präsentiert: Eher Zustände, blockartige Zusammensetzungen. Unterschiedliche Ansichten desselben Bildes mit verschiedenen Schattierungen, aber auch häufigen Abwesenheiten markanter Elemente.
Das Level «Vogelgeister» lässt sich wohl am ehesten lösen, wenn man sich eigene Bilder der Klangereignisse macht; ob diese Bilder abstrakter oder illustrativer Natur sind, spielt schlussendlich eigentlich keine Rolle. Lässt man sich als Spieler diesbezüglich auf eine Gratwanderung ein, wird’s schwieriger.

Level 22

«Klangkoffer» by Maru Rieben

Im «Klangkoffer» sind 18 kleine Instrumente: eine Auswahl der über viele Jahre gesammelten Klangerzeuger aus Europa, Afrika, Asien oder auch aus meiner Küche. Das Bild auf den Memoreille-Kärtchen zeigt zum Beispiel eine aus Ton geformte Schelle von sechs cm Höhe aus Japan. Obwohl die Instrumente aus so verschiedenen Materialien wie Holz, Metall, Ton, Fell und Plastik sind, haben sie doch eine Zusammengehörigkeit, weil es alles akustische, also nicht elektronisch erzeugte oder verstärkte Klänge sind. Für meine Ohren passt hier jeder Sound mit jedem zusammen. Wenn ich das Kartenset «Klangkoffer» spiele, sehe ich zu den Sounds immer auch die Bilder der Instrumente, was mir das Erinnern vereinfacht. Für andere Spielende ist das sicher herausfordernder, dafür haben sie die Möglichkeit, ihre eigene Geschichten zu hören und erfinden.

Die Rezension ist bereits erschienen in der Schweizer Musikzeitung SMZ.


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